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Was sonst noch passierte...

Folgende Geschiche mag durch laienhafte Übermittlung etwas detailgeschädigt sein, entspricht im übrigen aber ganz den Tatsachen:

Es ist ein schöner ruhiger Tag im Südpazifik. "Eye of the Wind" ankert seit ein paar Tagen vor Pitcairn. Die gesamte voyage crew und die Hälfte der Stammcrew sind an Land, es ist früher Vormittag und sofern keiner die Schleifmaschine anwirft, könnte der Tag richtig beschaulich werden. Eine Tasse Tee noch, dann kann die Arbeit weitergehen, genug lackiert worden ist am Schiff wahrscheinlich noch nie.

Unter Deck in der Ecke vom Kartenraum steht das Satellitenfax, ein Geschenk von Ridley Scott für die Dreharbeiten zu White Squall. Es funktioniert erst seit wenigen Monaten und ist der ganze Stolz der technischen Ausrüstung. Es tickt. Nichts böses vermutend greift der Skipper zur Lesebrille. Was da aus dem Fax kommt, ist eine Anfrage des australischen Seenotrettungsdienstes. Wie man ersehe, befinde sich das Schiff in unmittelbarer Nähe einer bewohnten Insel. Was in aller Welt könne denn dort so tragisches passieren, daß wir ohne Notruf gleich SOS funkten? WIE BITTE?!?! Schiffe im Umkreis von hunderten von Seemeilen legen die Ruder, ein Langstreckenhelikopter ist gestartet - und das alles wegen der "Eye", die friedlich an der Ankerkette vor sich hinrollt????? Was geht hier vor?

Schlagartig war der schöne Vormittag im Eimer. Was ist schief gelaufen? Keiner versteht, was los ist. Und dann kosten Rettungsaktionen ja schließlich auch Geld, es gilt das Verursacherprinzip. WER IST ABER DER VERURSACHER? Der Verursacher ist wie sich herausstellt bereits aufgehängt worden, nämlich an den Dinghidavits. Es handelt sich um die Seenotrettungsboje, die sogenannte EPIRB. Sobald sie gewaltsam abgerissen oder von allen Seiten von Wasser eingeschlossen wird, soll sie jeglichen erdenklichen Krawall veranstalten: heulen, rauchen, blinken - und eben SOS funken, alles gleichzeitig. Sie war aber weder abgerissen noch lose, auch nicht mal naß, wovon auch. Sie heulte und rauchte auch nicht, das hätten wir ja bemerkt und rechtzeitig Entwarnung geben können. Nein, sie mußte SOS funken, was nur die speziellen Stationen empfangen. Und nun konnten wir von Glück reden, daß wir ein Fax haben, denn ansonsten wären wir schwer ins Grübeln gekommen, wenn sich hier am Arm der Welt plötzlich der halbe Pazifik ein Stelldichein gibt. Halb aufgelöst orderte der Skipper also gleich erst mal seine Frau vom Landgang zurück, damit wenigstens einer ruhig bleibt und über Fax alle und jeden entwarnt - Ja, wir funken SOS, aber kümmert Euch nicht drum... Denn das Problem ist, daß die Boje verplombt ist und der Schiffsmaschinist nicht mal versuchen darf, sie wieder zu bändigen. Zu befürchten stand also, daß sie funkt und funkt bis ans Ende ihrer Batterie. Sollte das Schiff sie dann tatsächlich vor der Rückkehr in zivilisiertere Gegenden brauchen, hätte sie den Geist aufgegeben. Schöne Aussichten. Kurzum, mit Beschaulichkeit war an dem Tag nichts mehr, zu rotieren gab's genug.

Und über all dem Trubel hing seelenruhig die EPIRB, ließ sich von der Sonne bescheinen und funkte stillvergnügt SOS.

(1997)

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